Gerald im Interview
Gerald Reif ist 49 Jahre alt und hat sich 2011 für das Abenteuer IT-Consulting bei ipt entschieden. Dafür machte er technologisch einen Shift, denn ursprünglich doktorierte er im Bereich Semantic Web an der Technischen Universität Wien. Nun ist er Principal Architect und Entscheidungsträger in Kundenprojekten. Für welche Technologien sein Herz heute schlägt und wie er es schafft, laufend am Ball zu bleiben, erzählt er uns im Interview.
Simal Papadopoulos (People & Development): Gerald, du bist schon seit über zehn Jahren leidenschaftlich im IT-Consulting unterwegs. An welches Projekt-Highlight erinnerst du dich besonders gerne?
Gerald Reif: Da kommt mir ein Erlebnis aus einem vergangenen Projekt bei einem Schweizer Telekommunikationsunternehmen in den Sinn. Ich durfte als IT-Architect im Data Lake Team starten. Der Kunde befand sich in einer agilen Transformation und stellte das Big Data Team auf Scrum um. Durch das gegenseitige Vertrauen, das wir im Projekt aufbauen konnten, durfte ich die Rolle des Scrum Master übernehmen. Aufgrund von zusätzlichen Aufgaben als Scrum Master sank meine Produktivität beim Aufbau des Data Lakes und ich hatte das Gefühl, dass mein Beitrag zum Teamerfolg sank. Doch meine Aufgaben waren nunmehr organisatorisch geprägt. Im Nachhinein merkte ich, dass das Team meine Rolle extrem wertgeschätzt hat und sich auf mich verlassen konnte. Erst da begriff ich, wie wichtig meine Aufgabe war und wie gut es sich anfühlt, wenn agile richtig gelebt wird.
Gab es konkrete Situationen im Data Lake Team, wo du diese Wertschätzung erfahren hast? Und kannst du mir mehr darüber erzählen?
Ja, denn das war der stolzeste Moment für mich. Durch die Umstellung zu agile mussten sich die Teammitglieder gegenseitig neu beurteilen. Denn es gab keine Leistungsgespräche mehr mit Vorgesetzten. In meinem Team war die Hemmschwelle für kritisches Feedback hoch und sie fühlten sich unwohl. Ich habe mein Team darauf vorbereitet und mit ihnen diskutiert, wie wir eine ehrliche und konstruktive Feedbackkultur leben können, sodass wir mit positiven Gefühlen aus der Feedback-Session rausgehen und bestenfalls noch gemeinsam ein Feierabendbier trinken können. Und das haben wir geschafft! Wir hatten danach ein viel stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl und dafür waren alle sehr dankbar.
Well done! Wenn alle an einem Strang ziehen, lässt’s sich super zusammenarbeiten. Mal Hand aufs Herz, Gerald. Gab es auch kritische Situationen im Projekt?
Hmmm… das ist eine schwierige Frage. Eine heikle Situation war auf jeden Fall, als ich das Team nach 13 Monaten verliess. Im Team hatten wir eine hohe Vertrauensbasis geschaffen und die Zusammenarbeit funktionierte sehr gut. Der Abschied fiel mir schwer und ich versuchte mitzuverfolgen, wie das Projekt für sie weiterging. Wir haben auch ein lockeres Wiedersehen geplant, doch Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich möchte das nachholen und es nimmt mich wunder, wie es ihnen geht. So ist das Consultingleben. Man zieht weiter und darf wieder neue Teams, Technologien und Projekte kennenlernen.
Das Wiedersehen wird sicherlich bald klappen. Apropos Technologien: Welche Themen und Technologien faszinieren dich aktuell am meisten?
Big Data auf Azure. Vor ca. vier Jahren habe ich damit begonnen, mich intensiv mit Cloud-Technologien auseinanderzusetzen. Der Bedarf bei Kunden ist hoch. Mit Daniel Albisser, ein Partner von ipt, habe ich unsere Cloud-Partnerschaften angeschaut und mich dann für Microsoft Azure entschieden. Von meiner ersten Azure Zertifizierung bis zu meinem ersten Azure Projekt vergingen doch zwei Jahre. Da müssen Faktoren wie Zeitpunkt und Projektmöglichkeit stimmen. Und mein Interesse für Big Data hat im erwähnten Data Lake Team begonnen. Wie es der Zufall will, setze ich in meinem aktuellen Projekt bei einem Schweizer Finanzdienstleister genau beide Interessen in der Architektur um: Data Lake auf Azure.
Zufall oder doch Zielstrebigkeit. Das sind sehr aktuelle Themen. Wie schaffst du es eigentlich, immer am Ball zu bleiben?
Da bin ich vielleicht oldschool im Vergleich zu jungen Studienabgängern. Wenn ich von einer neuen Technologie höre, lese ich in der Theorie davon, aber baue keine abenteuerlichen Prototypen (lacht). Mir ist es wichtig, up-to-date zu bleiben und viele Themen highlevel zu verstehen. Meinen Fokus setze ich dann bei den Themen, die mich interessieren. Vertieft beschäftige ich mich zur Zeit mit Big Data Architekturen in der Cloud und arbeite hands-on an deren Umsetzung. Mein Wissen erarbeite ich mir aus Gartner Reports, der O’Reilly Learning Plattform und ich besuche Technologie und Produkt Konferenzen. Dann gibt es zum Beispiel wöchentliche Updates auf dem Azure-Friday Channel auf YouTube. Dort werden regelmässig von den Azure Produktmanagern neue Features der Services vorgestellt.
Genial, da behältst du den Überblick und Fokus. Du bist jetzt seit zehn Jahren im IT-Consulting: Gibt es eine Sache, die du gerne ändern möchtest?
Vor einem Jahr hätte ich die Pendel-Situation angesprochen. Da hat sich durch Corona mittlerweile einiges getan und ich bin flexibler, wie ich meine Arbeitszeit und den Arbeitsort einteile (lacht). Eine andere Situation, mit der ich nicht so glücklich bin, ist Folgende: Ich habe es nicht selbst in der Hand, an welchem Zeitpunkt ich ein Projekt verlasse. Es kommt vor, dass die Finanzierung ausläuft oder der Kunde das Projekt internalisiert, bevor das Projekt Life geht. Das ist schade, vor allem weil man mit Herzblut daran gearbeitet hat und den Erfolg miterleben möchte. Deshalb erinnere ich mich gerne an eines meiner ersten Projekte bei ipt zurück. Ich arbeitete fünf Jahre für den gleichen Kunden, einem Schweizer Finanzinstitut. Ich startete als Entwickler und übernahm mit der Zeit immer mehr Verantwortung für die Plattform Architektur. Durch die lange Arbeit im Projekt durfte ich einige Releases begleiten, sah die Auswirkungen von Architekturentscheidungen und konnte aus den Fehlern lernen. Dazu fällt mir ein passendes Sprichwort von Nathaniel Schutta, Software-Architekt und Autor, ein: “To become a good architect, stay long enough in a project to live with the consequences”.
Abschliessend noch eine Frage. Du hast in deinen Projekten viele Kunden kennengelernt. Warst du nie in der Versuchung Inhouse in einem der Kunden-Unternehmen zu arbeiten? Oder anders gefragt, was sind die Gründe, warum du gerne Consultant bist?
Wenn man mit einem Projekt-Team gut zusammenarbeitet, stellt sich natürlich die Frage, ob man über das Consulting-Mandat hinaus bei dem Projekt bleiben möchte. Doch für mich gibt es drei wichtige Gründe, warum für mich die Arbeit als Consultant interessanter ist: Ein Grund ist, um Inhouse bei in einem Unternehmen Karriere zu machen, braucht es neben der fachlichen Qualifikation auch einen guten Umgang mit der Firmenpolitik. Als Consultant kann ich mich aus den politischen Spielen heraushalten und mich auf auf die technischen Herausforderungen konzentrieren.
Ein weiterer Grund ist, dass ich als Consultant bei ipt mich laufend mit aktuellen Technologien beschäftigen kann und sie in der Praxis in Kundenprojekten einsetze. Last but not least gefällt es mir, dass ich in längeren Kundenprojekten viel dazulerne und doch die Möglichkeit habe das Mandat zu wechseln, um eine neue Herausforderung zu finden.
Danke vielmals Gerald, dass du deine Erfahrung mit uns geteilt hast. Wir freuen uns auf viele weitere Jahre mit dir!