Effizienz im Underwriting-Prozess von Lebensversicherungen dank Automatisierung

Autor: Jonas Wagner

Der Markt rund um Lebensversicherungen befindet sich im Wandel. Durch die tiefe Zinssituation und den erhöhten Kostendruck müssen Schweizer Versicherer ihre Produktpalette anpassen, um konkurrenzfähig zu sein. Im Speziellen auch, um sich gegen neue Anbieter wie frankly erfolgreich durchzusetzen. Durch die gezielte Verbesserung der Customer Experience und einen transparenten und automatisierten Underwriting Prozess können sie sich aber einen entscheidenden Vorteil verschaffen.
Die Sparte der Lebensversicherungen haben gegenüber Versicherungen wie Hausrat oder Motorfahrzeug ein eher komplexeres Underwriting. Das ist berechtigt, denn es stehen meist hohe Geldbeträge auf dem Spiel und die Laufzeiten der Verträge sind tendenziell hoch (für 3a potentiell 47 Jahre). Aufgrund der hohen Komplexität des Underwritings wagen viele Versicherer den Schritt von einem manuellen zu einem automatisierten Prozess nicht.  Es wird jedoch unterschätzt, dass genau dies ein exzellenter Ansatzpunkt ist, um sich mithilfe von Automatisierung durch Customer Experience zu differenzieren und damit ein grosses Potential auszuschöpfen.

Herausforderungen

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Abbildung 1: Manueller Underwriting-Prozess

Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Kunde möchte eine 3a Versicherung inkl. Prämienbefreiung, Todesfall und Erwerbsunfähigkeit abschliessen:

  1. Damit er einen Antrag bei der Versicherung stellen kann, muss er zuerst einen aufwändigen Gesundheitsfragebogen ausfüllen. 
  2. Einmal ausgefüllt wird der Antrag per Briefpost an die Versicherung übermittelt und gelangt auf den Schreibtisch eines Underwriters.
  3. Dieser bemerkt, dass ein zusätzliches Risiko besteht und der Tarif des Antrags angepasst werden muss. 
  4. Das generiert einen neuen Antrag (Gegenvorschlag), welcher wiederum per Briefpost an den Kunden gesendet wird. 
  5. Jetzt ist der Kunde bereits nicht mehr so glücklich. Schliesslich erfreut ihn die Preiserhöhungen nicht und zusätzlich muss er den Antrag nochmals unterschreiben und nochmals per Post an die Versicherung senden. 
  6. Bei der Versicherung eingetroffen, landet der Vertrag auf dem Tisch eines anderen Underwriters, welcher möglicherweise ein zusätzliches Risiko bemerkt.
  7. ...und schon geht der Prozess wieder von vorne los.

Unsere  Erfahrungen bei führenden Schweizer Versicherern zeigen, dass gewisse Underwriting-Prozesse Gefahr laufen, Kunden in einem endlosen Loop von Anträgen gefangen zu halten. Dies hat nicht nur eine schlechte Customer Experience zur Folge, sondern ist auch ausserordentlich ineffizient und verursacht dementsprechend grosse Kosten.

Lösungsvorschlag

Was kann in so einer Situation unternommen werden? Eine mögliche Lösung für die beschriebene Herausforderungen ist ziemlich offensichtlich: Man kann solch komplexe Underwriting-Prozesse vielerorts komplett automatisieren. Die Entscheidungskriterien für das Underwriting sind für fast alle Fälle standardisiert und quantifiziert. Als Beispiel nehmen wir das Kriterium Raucher ja/nein. Falls ja, bekommt der potentielle Versicherungsnehmer einen Raucherzuschlag. Die Höhe des Zuschlags wird aber nicht willkürlich vergeben, sondern folgt einer bestimmten Logik (z.B. Wie häufig raucht er?). Ergo kann als Kernstück der Automatisierung eine Rule-Engine eingesetzt werden, welche die Fragen und Regeln der Risikoprüfung und Fragen abbildet und verwaltet. Damit beschleunigt sich der Prozess und manuelles Eingreifen ist nicht mehr erforderlich. Vielerorts sind Rule-Engines schon im Einsatz, jedoch entweder nicht im Bereich der Lebensversicherungen oder nicht vollständig in einen automatisierten Underwriting-Prozess integriert.

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Abbildung 2: Mögliche Automatisierung des Underwriting-Prozesses

Die obenstehende Abbildung zeigt beispielhaft eine Möglichkeit der Automatisierung: 

  1. Gesundheitsfragen sollten nicht mehr auf Papier, sondern in der Offertapplikation integriert, beantwortet werden können. Dabei kann der Berater unterstützend zur Seite stehen.
  2. Anschliessend werden die Fragen an eine Underwriting Engine (eine für das Underwriting konfigurierte Rule Engine) weitergereicht, welche in Sekundenschnelle entscheiden kann, ob ein Kunde direkt angenommen oder abgelehnt wird. 
  3. Falls der Kunde angenommen wird (Ampel Grün), kann er noch am selben Abend (digital) unterschreiben und der Vertrag kommt direkt zustande.
  4. Falls es zusätzliche Risikozuschläge ergeben sollte (Ampel Orange), ist das kein Problem. Die Underwriting Engine wird solche Zuschläge von Anfang an transparent berechnen. Falls es doch Spezialfälle geben sollte, werden diese von der Engine ausgesteuert, um mit dem Kunden eine individuelle Lösung zu finden. 
  5. Falls der Kunde aufgrund einer Antwort direkt abgelehnt wird (Ampel Rot), hilft das dem Kunden wie auch dem Berater. Es wird keine weitere Zeit in einen Vertrag investiert, welcher nicht zustandekommen kann.

Warum die Lösung funktioniert...

Der wesentliche Vorteil ist sicher, dass dank der Automatisierung Kosten gespart werden können. Einer unserer Kunden hat geschätzt, dass mindestens 60% aller Anträge automatisiert verarbeitet werden könnten, sehr wahrscheinlich aber sogar mehr als 90%. Aktuell haben sie mit der Automatisierung noch nicht gestartet. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Berater zusammen mit dem Kunde das Underwriting vor Ort durchführen und somit während einem einzigen Treffen zum Abschluss kommen kann. Ausserdem ist die Customer Experience dank dem transparenten Underwriting-Prozess viel angenehmer und (über)trifft die Erwartungen des Kunden. 
  

Handlungsempfehlung

  • Analyse Potential: Wir empfehlen, das Potential zur Automatisierung genau zu analysieren. Eventuell ist der Prozess zwar komplex, aber trotzdem bereits standardisiert. Falls das der Fall ist, können mithilfe der Automatisierung massiv Kosten eingespart werden.
  • Standardsoftware vs. Eigenentwicklung: Wenn das Potential erfasst ist, empfehlen wir die Automatisierung mit einer eingekauften Software umzusetzen. Dieses Problem wurde bereits vielfach gelöst, so dass eine Eigenentwicklung in den meisten Fällen teurer als eine Standardsoftware ist.
  • Konfiguration & Integration: Wenn bereits eine Rule Engine eingesetzt wird, empfehlen wir, diese zu konfigurieren und analog unseres Lösungsvorschlages (siehe Abbildung 2) in den Offertprozess zu integrieren.

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